Von Klaus Groth, aus
seinem originalen Niederdeutsch.
Geboren 1819 in
Heide/Holstein. Lehrer, zuletzt Professor in Kiel, wo er in 1899 starb.
Plattdeutscher Dichter (“ Der Quickborn”).
Auf Hochdeutsch: von
E. Bügge - Wood
Im Fährschiff auf
Staben, war es gewöhnlich so still wie in der Urzeit, wie im Haus von Pött
oder Schade, auf Fehmarn. Wie sollte es auch anders sein, auf einer kleinen
Insel, in einem Haus nahe am See? Wenn man nicht gerade das Wasser rauschen hörte,
- wo man ja dran gewöhnt war, - oder den Wind hörte, - außerdem hörte man
sozusagen gar nichts. Man sollte denn schon drauf Acht geben, dass noch jemand
anders atmet wie man selber und schaut man sich um, so ist es die Katze die sich
einen weichen Platz gesucht hat.
Im Fährhaus auf
Staben, wie ich schon erwähnte, war es gewöhnlich so still in der Stube, wenn
auch nicht immer leer. Wenn man nicht den Hund und die Katze als zweite Person
rechnen möchte, die meistens unter dem Kachelofen lagen und den Kopf nur so
weit heraus steckten, dass sie den Raum so übersehen konnten und um bei der Tür
Luft zu kriegen. Falls jemand eintrat: so waren doch wirklich zwei Mann fast
immer am Platz in der großen, seitlichen Schenkstube. Der eine war der Wirt, er
hieß “ADAM”. Ein großer, stiller Mann, der an der Schenke stand als müsste
er sie den ganzen Tag festhalten. Der andere, der selten fehlte und immer am
Tisch beim Fenster saß, er war der alte Kapitän Pött.
Adam war auch nicht
jung, hatte graue Haare und einen Bart, er hieß aber auf ganz Fehmarn und auch
bei den Schiffern und Schiffer-Knechten: ‘Der junge Adam’, natürlich
unterschiedlich von seinem Vater, der früher die Stelle an der Schenke
einhielt, und solange sie beide zusammen gesehen wurden, hieß er ‘der Alte
Adam’.
Der junge Adam war
eigentlich zu groß für sein Geschäft und auch zu alt für seinen Rufnamen.
Aber es geht einmal so oder so in der Welt. Die meisten kommen in ein Geschäft
wo sie gar nicht reinpassen, er sollte denn schon ein Schiffer sein der sich
anpassen musste, sonst ginge er bald unter, mitsamt seinem Geschäft, und nur
derjenige bleibt oben drauf, der dazu geboren ist, wie Kapitän Pött. Sonst ist
es übrigens wie ich schon erwähnte; wenn man mal einen arg hinkenden Menschen
trifft, so kann man ziemlich sicher sagen: dass er ein Postbote sei, - ich habe
sogar jemand gefunden mit zwei kleine, schwarze Holzbeine, er fiel unterwegs
auf Glatteis und wartete auf Menschenhilfe, noch mit der Brieftasche um die
Schulter. Wenn jemand die Stimme verloren hatte, dann wurde er ein Ansager oder
nachher ein Nachtwächter oder Schulmeister, das kann man sich selber, wie beim
‘ein mal eins’ ausrechnen.
Adam war zu groß für
sein Geschäft, das heißt zu lang für seine niedrige Decke in der Stube. Er musste
sich vor dem Balken bücken, wenn Kapitän Pött ihn vom Eckschrank ans Fenster
rief und fragte: “Was kommt denn dort für ein dummer Kerl mit vollen ‘ Bram-Segeln’
auf Staberhuk los?
Dort hatte man vom Fährhaus
ja gute Sicht über die Ostsee und von Kapitän Pött seinem Sitz aus, konnte
man sehen welche Schiffe von der östlichen Kante, von Lübeck aus, oder sonst
vom Fehmarnsund nach Kiel und Eckernförde passierten oder auch nördlich um den
Puttgardener Riff zu den dänischen Inseln oder gar zum Kattegatt und Skagerrak segelten.
“So ein dummer
Kerl! Ist er ein Hesse? Kann der Kerl nicht sehen? Will er sich die Nase anstoßen?
Es wundert mich wenn er noch die Wendung kriegen kann ehe er zwischen die Steine
kommt!”, rief der Kapitän im Eifer und Ärger aus der Ferne und wies mit
einer Hand, die so groß war wie eine Lastenschaufel und beinahe eine der
kleinen Fensterscheiben bedeckte.
Natürlich war der
Kerl ein Hesse, Landratten, oder was er sonst noch für einen Ehrentitel bekam, -
solange die Sache wie das Schiff im drehen stand, wie ein Schoner oder eine
Brigge, im gewöhnlichen Auge, ein Schiff mit Segeln, das im Meer ruhig seinen
Weg in die Ferne fand.
Aber ADAM kam auch
hervor, bückte den Kopf und die breiten Schultern und ging von der Schenke an
das Fenster, wo er sich stützte und kaltblutig seine Meinung dazu gab, oft
indem er mehrmals nickte oder mit dem Kopf schüttelte und “ja, ja,” vor
sich hinmurmelte.
Kapitän Pött aber
legte seine großen Hände wieder auf seine Knien, nachdem er einsah, dass der
“Kerl” doch noch die Nase von seinem Schiff barg und kurz vor dem Huk
“Staberhuk” die Drehung richtig einholte, nahm einen kleinen Schluck aus
seinem Glas und sagte: “Er muss die Fahrt kennen - er ist hier wohl nicht zum
ersten mal, - hält um das Riff - ist ein Danziger”, - immer mit einem Blick
auf See und eine Pause dazwischen.
Und dann saß er
wieder, - wie ein Bild auf einem von unseren Schränken oder Schubladen -, und
wie mit einem Küchenbeil ausgeschlagen, der junge Adam stand wieder an der
Schenke, von Hund und Katze war nichts zu merken wie nur das Knurren.
Oft liefen Tage und
Wochen dahin, wo nichts anderes geschah, als das ein Segler nach dem anderen,
bald näher, bald weiter entfernt, vorbei zog und eine Stunde nach der anderen
von der alten Wanduhr ausschlug. Wenn sie so beim Schnarchen und Rasseln fünf
Minuten vor zwölf den Mittag anmeldeten, so war’s als hörten alle vier, die
in der Fährstube atmeten, was besonderes, - richteten sich auf, Kapitän Pött
an seinem letzten Schluck, stand auf, sagte sein Ade und “gesegnete
Mahlzeit”, und, bald sah man ihn zur Anhöhe rauf wandern, immer noch mal mit
einem Blick über die Ost See, die von dort in Sicht war, und verschwand allmählich
Stück für Stück, bis auch der Kopf mit der Seemanns Kappe hinter der Anhöhung
untertauchte. -
Das mag uns vom
Festland langweilig vorkommen, ja, gar schrecklich und gruselig: Für einen
alten Seemann ist es ganz was anderes; der entnimmt mehr heraus wie wir, er
sieht was ganz anderes darin. Es ist nicht deswegen, weil er die See so gern
hat, wie manche Leute Busch und Bach: wer das mag und darüber erzählt, der
kennt das ‘Seemans-Leben’ nicht. Es gibt keiner wer den hölzernen Boden
solange unter Füßen gehabt hat, dass er nicht dran denkt den festen Erdboden
eintauschen zu können, wenn’s möglich wäre. Nicht nur eine Rede; dass Kapitän
Pött wieder mitfahren möchte, und dass er bedauert, hier täglich im stillen Fährhaus
zu sitzen beim jungen Adam. Gewiss nicht! Er freute sich wenn er abends in sein
warmes Bett kriechen konnte und nicht in die Koje, wo das Salzwasser zwei Zoll
hoch an die Planken seines Schiffes klappte. Das ist für die Menschen die darüber
hinterm warmen Ofen lesen.
So liest der Seemann
über die Wellen, wenn er von See in den Ruhestand tritt. Das Schicksal steht
darin geschrieben, es lacht ihn an, wenn die Sonne übers blanke Wasser
scheint, es ruft ihn ins Gedächtnis wenn es stürmt und braust. Kein Wunder
denn, wenn er im Fährhaus sitzen kann, als wie vor einem aufgeschlagenen Buch:
Wir verstehen nur nicht darin zu lesen.
Es war übrigens
nicht immer so einsam und still auf dem Staben und auch im Fährhaus beim jungen
‘ADAM’ nicht. Dort saßen mitunter junge Seefahrer beim steifen Grog und
pfiffigen Kartenspiel, dort kamen Leute die die ganze Welt rund herum gesehen
hatten und darüber zu erzählen wussten. Da sah man Seeleute, die in China
Ratten gegessen hatten, oder in Australien gewesen waren, - “Alte Männer”,
die sich in den “Rocky Mountains” mit Tausch-Händlern, oder im Gewässer
von Hong Kong mit Seeräubern geprügelt hatten, - die in New Orleans vom gelben
Fieber angesteckt wurden, oder bei Spitzbergen den Schiffbruch mitmachen mussten
- denn wo gab es auch Seeleute, wo kein Fehmeraner dabei war? Dort kamen
Menschen, die sprachen von Cap Horn [Südamerika] als ob es Staberhuk auf
Fehmarn sei und vom Mittelmeer, als wär’s das Gewässer hinter Staberdorf auf
Fehmarn. Es wurde sich nach Menschen erkundigt und von Menschen erzählt, die
tausend Meilen von daheim ihre neue Heimat aufgeschlagen hatten, wie die Bauern
von Iowa, oder Kaufleute in New York wurden, auch Schullehrer in Milwaukee,
Wirtsleute in San Franzisko, und Kellner in Montevideo, oder auch König wurden
auf irgendeiner kleinen Insel in der Südsee. Dann konnte man Geschichten zu Ohr
bekommen, wer es sich anhören wollte.
Vom Schicksal, das
mitunter schien als ob es aus Fabeln oder Märchenbüchern erzählt wurde, und
doch saß der Mann ruhig vor einem, wie man einen Schiffer ruhig und gelassen
sitzen sehen kann, der es selber erlebt oder mit eigenen Augen gesehen hatte.
Wenn es aufgeschrieben wurde - konnte es Niemand glauben. Ja, als die
Telegraphendrähte überall, von Dorf zu Dorf liefen, so konnte man sich denken,
wenn man oft und lang das Fährhaus vom Staben besuchte, gingen unsichtbare Fäden
von der kleinen Insel Fehmarn aus, an fast jeden Flecken von Gottes Erdboden,
reichten bis in jedes Haus und an jedes Herz, und man konnte nie wissen, ob
nicht morgen für irgendeine Familie eine Nachricht kam, die sie zur
Verzweiflung störten oder, - an jenem armen, schmucken Mädchen, ‘sie möchte
morgen nach Hamburg kommen, Straßen Nummer so und so, Kleidung und Geld lag
zurecht, der nächste Dampfer nahm sie mit, erste Klasse wurde bezahlt, der Kapitän
würde sie abholen und für sie sorgen - und nach 14 Tagen fuhr sie mit
Kutscher und Diener als große Dame in Boston, USA herum. - Das ist alles
vorgekommen und war nie unmöglich.
Es nahm nicht immer
den Weg durchs Fährhaus; war wichtig oder unwichtig, jedenfalls dauerte es nie
lange, dass man es wusste und besprechen konnte, dann waren der junge Adam sowie
der alte Pött auch gewiss mit dabei.
Zuweilen saßen die
beiden auch tagelang allein, und wenn dann nichts besonderes auf See los war,
der Kapitän laut und Adam stumm sein Teil zu sagen hatte, so könnte man
mitunter ein Zwiespalt gehört haben, welches sich lange bei so einer Gelegenheit, fast auf derselben Art anfing und auslief, auch seinen eigenen Ton
hatte, ganz anders von dem lauten, alltäglichen, womit Pött über die “Kerle
auf See” herfiel und Adam nur den Kopf schüttelte.
“Hast’ kürzlich
Nachricht gehabt?”, fing Kapitän den Abschnitt an.
Was Neues nicht,
antwortete Adam, denn nach der Frage kam gleich die Antwort. “Verteufelter
Bengel!”, sagte Pött, als wenn dabei was zum verwundern wäre. Mit Bugsted’s Junge zuletzt, wie du weißt, fuhr Adam dann fort,
“der mit Rahlf’s Schoner kam.”
“Verdamter
Bengel”, sagte Pött zu sich selber, “Und kam nicht eher wieder, als bis er
das Gold nicht selber tragen konnte, was er mitbrachte.” “Aber frisch und
munter”, fragte er weiter.
“Frisch und munter,
wie Bugsted sagte, unverzagt.”
“Unverzagt,
wiederholte Pött mit Überzeugung, - verflixter Bengel, lässt die Ohren nicht hängen,
das sollte denn schon mit einem Sturzsee kommen,
und richtet die Masten doch wieder rauf. Ich sagte es ja schon immer, so sinnig
wie er war, man konnte ihn nie runter kriegen. Masten gleich wieder hoch! Sagte
ich zu ihm. - “Allmählich, Onkel Pött!” Das war seine Antwort. Der setzt
sich durch, sollst man sehen, der gräbt ein Loch durch die Erde, wenn er bloß erst mal den Spaten in der Hand hat. Vier Jahre? Wie lange ist es schon?
Er
wusste das natürlich
ebenso genau wie Adam, und zählte es an seinen Fingern nach: Vier Jahre! Und
dann fing er eine neue Zahl an zu zählen, die ganz über die linke Hand hin
ging.
“Und dein
Johann?” fragte Adam.
“Neun”, sagte Pött
still und sanft, Micheli ist nächster, neun. Ja, ja! Habe noch mal nach
Valparaisa nachschreiben lassen, sie sollen mir wenigstens die goldene Kette von
seiner Uhr schicken, begraben haben sie ihn ja doch an Land, und so was vergeht
ja nicht.”
Ein Fremder, der den
Ton nicht kannte, hätte es nicht raushören können, dass es sich hier um die
eigenen Kinder drehte, und bei der schönen goldenen Kette handelte es sich um
ein wertvolles Stück Vaterherz, was im Hochdeutschen wohl als ein schmerzliches
Andenken bezeichnet werden könnte. Insulaner und Strandmenschen, dessen Nächsten
auf See geblieben sind, sparen kein Vermögen um ihre Habseligkeiten nach Haus
zu bringen, wenn es auch weiter nichts ist als ein schlichter Seemannsanzug.
“Wir werdens ja
sehen”, sagte der alte Pött, und trommelte mit seinen zwei großen, harten
Fingern auf den Tisch, “werdens ja sehen.” Und auf einmal, als wäre das
Kapitel vollständig geendet, kam er unversehens auf ein ganz neues Thema mit
einem anderen Ton: “Mariken hat sich gut erholt, verteufeltes Mädchen, grad
wie Milch und Blut. Ich habe sie gestern getroffen.” Und dabei kam es raus,
das dieses Ende wirklich der Anfang gewesen sei. “Hatte sich nach ihm
erkundigt, war guten Muts, ein drolliges Menschenkind.”
So sprachen die
beiden, und damit war die Zwiesprache richtig beendet, mochte dennoch sein, dass
Pött noch mal nach ganz was gleichgültiges fragte: Blühen deine langen
Kartoffeln schon? Keine Ahnung wie weit meine schon sind.
Wartete aber selten
auf die Antwort, sondern machte Bewegungen als ob er Wichtigeres zutun hätte
und wanderte zur Tür raus gegen die Dünen hinauf. Ehe er auf der anderen Seite
verschwand, pflegte man ihn oben stehen zu sehen, als wär es für ihn ein
fremdes Land, wo es so allerlei zu betrachten gab.
Ein richtiger Fremder
hätte wahrscheinlich sehen können, dass das Land flach, einförmig und
fruchtbar war, im Sommer fast zur Hälfte mit Weizen bebaut, im Herbst gepflügt
und besät, so weit wie das Auge sehen konnte, im Winter aber totenstill. Er hätte
vielleicht die drei Kirchtürme bemerkt, die von weit her, einer nach dem andern
einsam zum Vorschein kamen, und gefragt, wie die Flecken heißen, die da
angedeutet und vielleicht hinter dem letzten noch einen Strich aufschimmern
sehen, wie der Rand von einem Teller, der anzeigt, dass das Wasser rund herum
geht und den kleinen Flecken von dem Festland abschneidet, welches ohne des
Schiffers Hilfe, nicht zu erkennen ist; oftmals tagelang nicht, wenn das Wetter
draußen auf See so richtig wild ist.
Hin und wieder sieht
er ein Dorf, nette Häuser mit Strohdach, einige Storchennester fehlen nicht,
die Häuser stehen, nicht verstreut wie im holsteinischen Land, vielmehr
meistens in zwei Reihen mit einem breiten Raum dazwischen: Straße könnte man's
nicht immer nennen, vor jedem Haus oder jeder Scheune liegt eine Düngergrube
mit einem Misthaufen und dazwischen schlängelt sich eine Wagenspur durch,
welcher im Herbst während der Regenzeit mehr ein Sumpf, als wie ein Weg oder
Steg ist. Oftmals geht dieser Weg vom Osten zum Westen, die Häuser sehen mit
dem Gesicht in die Sonne, in der einen Reihe vom Dorf die Misthaufen, in der
anderen Reihe die Gärten, die nicht fehlen, oftmals voll von alten Birnbäumen,
sowie große Buchen.
Staberdorf, was alter
Pött so bei Gelegenheit zu betrachten pflegte, und wo wenigstens nicht gerade
seine Gedanken, aber doch seine Augen und sein Weg hinführten, denn er wohnte
in der Nähe, wo es nicht viel anders ist wie in den übrigen Dörfern, hatten
einen Teich [Sol] auf einem Ende, wo
abends die Pferde zur Tränke getrieben wurden, der Weg war eingefasst mit einem
Erdwall, um den Dünger nicht zu versickern lassen hinter den Scheunen, denn das
lag nahebei, sozusagen wie direkt vor Augen. Am Festland hin, bis zur Verschönerung
entlang von dort herüber über den kleinen Sund. Weiter hinein in die Dörfer
sieht man noch das alte Fehmarn ganz wie es in der Urzeit mal war, hin und
wieder mitten im Dorf der große Steinkring, die Dingstelle, wo früher unterm
freien Himmel Gericht gehalten wurde.
In keine Dörfer
fehlte es an Schiffern oder sogar einige, die, wie wir schon erwähnten, die
ganze Welt mit ihren eigenen Augen gesehen hatten, aber gab es auch Leute die
niemals Sinn und Gelegenheit hatten über den Sund zu treiben. Von Mädchen und
Frauen galt es meistens so! Ja, da gab es einige, die schon uralt waren und sind
in ihrem langen Leben nie weiter gekommen wie nur zu den drei Kirchen auf der
Insel.
Am Ende von
Staberdorf, nicht weit vom Teich lag ein großer, alter Bauernhof, niedlich
aufgeputzt, etwas mehr für sich allein, an beide Seiten eine lange Scheune, ein
bisschen abseits von der Dorfstraße mit einem Steinwall vorne, als Grenze,
und ein kleiner Blumenhof vor den Fenstern und vor der Haustür. Als ob es ein
Gemälde wäre, so hatte jede Scheune ein Storchennest und hoch drüber hinweg
reckten die Eschen und Pappeln, die das Auge hinten heraus zum Apfelhof führten,
das fast so groß war wie ein Holsteiner Adelshof. Wie viel Land zu der Stelle
gehörte konnte man sich ungefähr ausrechnen, - wenn des Abends die Knechte ein
Spann Pferde nach dem anderen zur Tränke in den Teich ritten, und welcher Herr
dort wohnte, wenn Sonntags auf fahrbarem Weg der Kutscher mit zwei blanken,
braunen Pferden in die Stadt, nach Burg fuhr. Er, der Herr selber, saß drinnen
in der Kutsche hinter den Fenstern.
Draußen wurden Haus
und Scheune, sowie Garten natürlich von einem Mackeprang angelegt. Die
Mackeprangs und die Witten hatten schon vor alten Zeiten die Insel regiert und
besessen.
Von der Mackeprangs-
und Witten - Vetternschaft sind noch irgendwo Unterlagen, worin beschrieben steht
was sie dem Vetter an Hemden, Kleidung und Zehrgeld mitgeben sollten, wenn er
das Unglück gehabt hatte und einen Anderen auf der Insel erschlagen, so musste er über den Sund geholfen werden. Noch vor einiger Zeit gehörte in jedem Dorf
einem Mackeprang oder Witte den Haupthof und man unterschied sie bloß als die
‘Mummendorfer’ oder ‘Staberdorfer’ u.s.w., ohne den Familiennamen
auszusprechen. Jeder wusste, dass man einen Mackeprang im Sinn hatte. Sie waren
stattliche Menschen, mit braunen Augen, es mag auch sein, dass sie die tapferen
Überreste der alten Wenden sind, so wie der Name Witte andeutet ‘von den
Deutschen’, als die das Land eroberten, als ihres gleichen geschont und in
ihrer Schlacht und Kluft aufgenommen wurde.
Kämmerer und Richter
wurden aus dem Geschlecht geschnitten, zu einem Schiffer waren sie nicht
geeignet.
Aber es kam eine Zeit
wo einige Schiffer vor dem Herrn Kämmerer, wie die Fehmeraner sagten, tief den
Hut abnahmen als sie weggingen, und wiederkamen mit soviel Gold, dass er es
selber nicht tragen konnte. So ein Mann setzte sich in Burg oder Landkirchen ins
Wirtshaus zwischen den Richtern zum Kartenspielen, wenn sie aus der
Gerichtsstube kamen auf der einen Seite der Hausdiele und zur Wirtsstube auf der
anderen Seite, und saßen dort solange bis sie einen Witt oder Mackeprang fanden
um von denen einen Hof zu kaufen und dort noch breiter sitzen konnten, bis er
vielleicht noch als Richter mit auf der “anderen Seite” ins Wirtshaus ging.
Besonders sind die
Witten weniger geworden, so auch die Wilders, sogar die Unbehauen und
dergleichen wurden weniger .
Auf dem Staberdorfer
Hof wohnt der alte Hansen. - Die Familie war ausgestorben. “Wer konnte ahnen
was er anbaute, wo er herstammte, wem ging das was an? Was er gewesen war, wer würde
danach fragen”? Wie er zu seinem Geld kam, wer konnte sich das ausrechnen, -
ein Fehmeraner war er, aus armer Familie stammte er, Schiffer war er anfangs,
Herr Hansen heißt er jetzt. -
Er kam mit Frau und
Kind unvermutet, denn, wer den Hof gekauft hatte wusste man erst als er schon da
war. Die Frau war nicht von hier, das Kind, ein kleines, blauäugiges, schmuckes
Mädchen. -
Er war kränklich,
die Frau man still, das Haus einsam. Nur die kleine Mariechen flog herum wie ein
Schmetterling im Sommer, wie ein Vogel im Winter rein und raus, und zeigte
allen, wie schön das Leben in der schmucken Wohnstube war, mit dem glänzenden
Mädchen und den weißen Gardinen. -
Klug war der alte
Hansen, er hatte seine Nase schon überall gehabt. Wer konnte etwas dagegen
reden? Es konnte sein, dass er mal in der Kutsche fuhr, im Winter aus der
Pelzdecke kam, in der Ecke vom Sofa saß; - fragte mehr als er antwortete, war
manchmal dort wo man ihn kaum vermutete, und ging, wenn man es kaum vermochte,
er kam auch bei Adam im Fährhaus. Dann saßen dort gerade drei absonderliche
Gestalten. Adam war auch
zur See gefahren,
aber hatte nicht recht Lust dazu gehabt. Er hatte auch was gelernt, mehr als man
ihm an Kopf und Kleidung ansehen konnte. Wenn aber manchmal feine Leute,
See-Offiziere, Reisende ins Haus kamen, dann verwunderten sie sich, wenn Adam
anfing mitzureden. Er war nicht umsonst in New York, New Orleans, Rio und wer
weiß wo er sonst noch überall gewesen war und was er gesehen hatte. Dann wurde
auch die Sprache bei ihm locker, das Holz in den Gliedern gelenkig, ja es konnte
sein, dass sich sogar etwas Wehmut über sein ernsthaftes Gesicht zog. -
Solche Menschen gehören
auch zu dem Insel- und Schiffervolk. - Herr Hansen sah man es nur noch an die
Augen an, womit er schnell Schiffe auf See verfolgte, wenn Kapitän Pött mit
einem echten Seemanns Behagen sein Herz über eine Landratte, einem blinden
Hessen verblüfft ausschüttete, dass er so eine Sache genau so kannte, wie die
andern beiden. - Er trank hier sein Glas Madeira, hörte die Neuigkeiten,
befragte sich nach Adam seinem Willem, und ging wieder. -
Denn Willem und
Mariechen wurden bald Spiel Kameraden, nachdem Herr Hansen eingezogen war und das
war dem Herrn Hansen ganz recht. Ohne Umgang von Menschen kann eine
Menschenseele nicht gut gedeihen, die Seele eines Kindes schon gar nicht. So war
Herr Hansens Ansicht auch.
Kinder dringen in
alle Nester und Löcher und bleiben dort wo es ihnen gefällt, wenn sie nicht
rausgeworfen werden, sie überwinden Furcht und Ehrfurcht, nicht Küche noch
Kirche ist sicher vor ihnen. Kein Versteck so heimlich, dass sie nicht hinein
kriechen können. Angst vor Gesichtern haben sie nur so lange, bis sie sie genug
beobachtet haben. Während auch keine Menschen beim Herrn Hansen kamen, so kam
‘Willem Adam’ gewiss, und wenn er auch anfangs noch so beobachtet wurde in
diesen feierlichen Zimmern, zwischen den Möbeln und Bildern: überall nahm Mariechen
ihn an der Hand mit sich, und das war genug, denn sie hatte soviel schönes
Spielzeug, dass man Schläge erhalten müsste, wenn man es sich nicht ansah.
Im Sommer bekam
Mariechen eine Ziege für ihren Wagen, wo alle Fehmeraner drauf achteten wenn sie
mit Willem damit herum kutschierte. Im nächsten Sommer bekam sie einen Esel
ohne Hörner, aber doch noch stoßend, sodass Willem noch mitfahren musste aus
Not, um ihr zu helfen.
Im nächsten Sommer
fuhren sie mit einem Pony, gelb, mit langen Haaren, den hatte Herr Hansen von
einem Schiffer in Norwegen gekauft. Ein recht wildes Beast, aber willig, sodass Mariechen
mit Leine und Peitsche führen konnte, gar zur Verwunderung für alle
die es mit ansahen, denn das kleine Tier rannte bei schönem Wetter, bis ihm und
ihr die hellen Haare um den Nacken flogen.
Mariechen
brauchte
auch einen Lehrkameraden. Kinder lernen nicht gut wenn sie allein sind, sie müssen
lernen wenn sie spielen. Das waren auch die Gedanken von Herrn Hansen. Herr
Hansen hatte eine “Mamsell” für sie angenommen - in der Schule ging die
Kunst ihm nicht sehr nah.
“Mamsell” war aus
einer, etwas hungrigen Familie in der Hannoveraner Gegend, die wegen ihrer
Gesundheit auf dem Lande leben sollte. Eine kleine schmächtige Person, fast
selber noch ein Kind, hatte aber was gelernt und bekam bald bei gutem Essen und
frischer Luft, Blut in die Backen und neue Lebenslust. Nun ging es ans Lernen,
fast mit Gewalt. Vielleicht half bei dem armen Mädchen auch eine gewisse
Dankbarkeit, lange Weile war auch vielleicht genug im stillen Hansen Haus, dann
wurde gesungen, auswendig gelernt and dekliniert von morgens bis abends und
dabei war der Willem zuerst nur der schüchterne Zuhörer, dann und wann und
gelegentlich auch bald als Hilfsmaat und regelrechter Mitspieler, was nun daraus
kam wusste er am wenigsten, dass er bald über ein paar Stunden beim alten “Preceptor”[Lehrer],
fast den ganzen Tag bei Mariechen und Mamsell zubrachte mit Sang, deklamieren und
lesen. Gewiss hatte Herr Hansen es wohl bedacht und mit dem Fährmann Adam
besprochen, und auch ihm war's mehr als recht, er hätte sonst selber etwas für
den Jungen eingerichtet. -
Wenn die drei auch
dahersaßen wie drei Kinder - Willem war sogar der größte, er streckte mit
seinem krausen Kopf über Tante hinweg - oft auch waren sie laut da drinnen wie
es Kinder eben sind, und doch ging es eigentlich ernsthaft her, ohne, dass die
Tante Hilfe brauchte, wie mit den schönen Büchern, die sie nicht immer
zusammen lasen, das genoss Tante genau so wie die andern!
Man
muss wissen was
man auf dem Lande lesen nennt! - Wenn Menschen schon mal einen Geschmack dafür
bekommen, und warum sollten sie es auch nicht. Alt oder Jung, Arm oder Reich -
man denkt doch nicht, dass es darin ein Unterschied gibt, es gibt keine Seele,
die keinen Hunger nach dem Wissen hat, die Meisten bekommen keine Nahrung fürs
Lernen, wo ein Geschmack drin steckt. -
Man
musst wissen was
es auf dem Lande über Reisen zu lesen gibt, Geschichten oder Gedichte, um zu
verstehen wie viel Gewalt drin steckt.
Ein Mittel kam noch
hinzu um Tante zu respektieren, sie verlangte, dass hochdeutsch gesprochen
wurde. Das ging zuerst langsam und stotterig, dabei gab es so allerlei
auszuputzen für die kleine Tante, denn sie hatte eine gar feine Aussprache, so
wie fast alle Hannoveraner. Das Mittel half nicht nur bei übermütige Kinder;
was konnte schon mancher Pastor anfangen, wenn er eine Sprache sprechen musste die seine Gemeinde so gut versteht wie er? Bei Mamsell konnte es nicht viel
schaden und Willem setzte sich wieder zu ihr, aus Respekt mit seiner
Rechenkunst, wovon sie auch so wenig verstand als vom Plattdeutschen.
Er zeigte mit Stolz
seine Tafel wenn er sie beim “Percepter”
[Lehrerin] voll von großen Rechenzahlen hatte und war sozusagen Lehrmeister
für die beiden Anderen, in seiner Kunst.
Er hatte aber doch
Hochachtung für alle beide. Was Mamsell konnte, wie man sagt, von zu Hause aus,
war leicht gelehrt wie die Schülerin, wenn sie vor dem Zeichenbrett saß konnte
er ihre Hand betrachten, wie sie einen Strich nach dem anderen zog und die
Augen, die wie ein Parpentik an der
Uhr von der Vorschrift auf dem Papier liefen, sie waren blau wie der Himmel, wo
sie gegenan leuchteten, wenn ihre Backen vor Eifer rot wurden. - Ihm wollte das
Zeichnen gar nicht recht von der Hand gehen: Aber die Singstimme, davon brauchte
Tante ihm nichts beibringen, das konnte er von alleine hören, was man schräge
beim singen und grell beim sprechen vernahm, und dass sie eine grobe Stimme
hatte so wie die Stimme der Schiffer, er selber hörte auch Mariechens Stimme
viel lieber, wie ihre.
Er gönnte es seiner
kleinen Spielkameradin auch, aus Liebe und Gefallen, sie hatte es schließlich
verdient. Vielleicht, wär's ein Junge gewesen, hätte er es mal gesehen wer der
Stärkste war. Aber so ging ihr Leben meistens in Freundschaft und Frieden
dahin. Erzürnen und vertragen kommt immer dabei vor.
Freilich blind war er
nicht: sie war Herr Hansen seine Tochter. Ach, das merken Kinder mehr als die
Erwachsenen es ahnen! Da hingen Bilder an der Wand, dazwischen waren Könige und
Königinnen von Dänemark, gerade so als jemand von ihnen, so war es auch bei
Mariechen mit dem Kopf [Einbildung]. Er wusste es wohl und dachte sein Teil
dabei.
Und er schenkte es
ihr nicht: stolz war sie, er sagte es ihr mal als er durchaus mit dem Boot eine
Segelfahrt machen wollte und sie wollte nicht mit. Hinter des Vaters Pforte
gingen sie zum Strand hinunter und suchten Muscheln. Warum wollte sie nicht? Sie
war stolz denn es war nicht das Boot des Vaters, es gehörte seinem Vater. Sie
konnte es ja lassen, aber dann bedankte er sich und wollte nicht mit ihr in
ihrem Vaters Ponywagen. Schließlich ging sie am Ende doch mit ihm, dann waren
sie beide still bei der Fahrt, und als sie von ihm weglief, suchte er ihr glatte
Muscheln bis zum späten Tageslicht.
So vertrugen sie sich
redlich, und er musste sich daran gewöhnen, dass sie den Kopf trug, wie sie
sagte, so wie er ihr gewachsen war. Er hatte auch seine eigenen Ideen.
************
Im Herbst und Winter
sind die Wege auf Fehmarn als zugetretener Lehm und ohne Grund und Boden. Mit
einem Wagen nicht zu befahren. Wenn jemand wandeln und reisen wollte, mussten
sie reiten, Frauen und Mädchen hinten auf dem Pferd. Auf der verkehrten Seite
bestieg man eine Leiter, der Knecht holte sie gleich rauf und lehnte sie sachte
hinten rüber, sodass sie gerade auf dem Pferd an der rechten Stelle zu sitzen
kamen. Vater oder Bruder, Herr oder Junge sitzen vorne, den fassen sie mit dem
rechten Arm um, und mit der Last von zwei oder 1 ½ Personen, werden die alten
treuen Tiere, die das kennen, bis man sie an Ort und Stelle mit der Leiter oder
starke Arme wieder herunter lässt.
Mariechen
musste, als
sie heranwuchs oft in die Stadt, mal
zum Schneider, mal zum Höcker [Krämer],
dann wieder zur Apotheke. Die Mutter war schwächlich und eigen, hatte immer mal
Einfälle und wenn’s nur mal Hoffmanns Tropfen waren, die man damals in jedem
Haus riechen konnte wo schwächliche Menschen waren, so fand man davon noch so
allerhand.
Es fiel keinem
Menschen auf, dass Willem auf dem großen Braunen saß und Mariechen hinter ihm.
So sind sie öfters zusammen gefahren, warum auch nicht zusammen reiten, so wie
es alle Menschen auf Fehmarn taten. Oft ritt die Frau vom Hause hinter dem
Pflugknecht, die Jungfer hinter dem Herrn. Das war überall auf unfahrbaren
Wegen nicht gerade ein Plaisierritt, dazu gehörten ein paar gute Augen, die
voraus guckten und nicht hintenrum, auch ein paar starke Arme für Zügel und
Zaum, wo auf dem Weg das Lehm hoch über den Kopf spritzte.
Es konnte sein,
dass ein anderer Mann fehlte, und Willem hatte es als eine Art Amt, dass er Mariechen
in die Stadt brachte. Er fühlte sich glücklich und wichtig dabei, das war auch
eine Veränderung im alltäglichen Leben. Den alten Futterknecht ‘Nissen’
half er jedes Mal auf sein Pferd, und hatte immer dieselbige Redensart dabei;
wenn Marie nun die Leiter richtig hinter Willem auf den Braunen absetzte, so gab
er ihm einen Klaps auf den fetten Bauch und sagte: “Sueh so, Braun, nu man zu!,
Du hast Adam und Eva auf dem Rücken, lauf nicht mit ihnen aus dem Paradies.”
Ja, da lachten die
beiden jungen Leute! Denn die Worte fehlten nie. Und wie sonderbar - oftmals
kamen sie ernsthaft über den wirklichen Adam und der Eva ins Gespräch, vom
Paradies, den Garten von Eden, über die ersten Menschen, und alles das, was sie
in Treue und Glauben von der Bibel gelernt hatten und was die Seele ergriffen
hatte.
So etwas kannte man
auch, oder kannte man nur noch auf dem Lande und in der Einsamkeit. Das war ja
kein Wunder, wenn Willem Lust hatte sich den Garten anzusehen, falls der Garten
noch zu finden wäre und Mariechen kein Heimweh nach Fehmarn oder Staberdorf
kriegen würde.
***********
An einem Nachmittag,
als sie in die Stadt gingen, es war nach der Erntezeit, wenn die Tage schon
etwas kürzer wurden, - kam ein Gewitter herauf, gerade als sie aus Burg, so
gegen Schummerstunde nach Hause reiten wollten, mit Donner und Blitzen, im Wind
und Regen so schlimm, dass es unmöglich war weg zu kommen. So hielten sie bei
dem ersten bekannten Haus still, Willem sprang vom Pferd und half Marie herab,
zog das Pferd in den Torfstall bei der Schule und dann ging hinterher ins Haus.
Das war bei einem
bekannten Blechschmied, wo sie hinflüchteten und in die Werkstatt traten,
gerade als der Sturm so richtig losbrach. Der alte, kleine Mann saß gebückt vor
einem Block um eifrig anzufangen zu hämmern, grad wie gegen Donner und Blitzen.
Hämmern
hörten sie
ihn immer wenn sie nach Burg oder wieder nach Hause ritten, das tat er der Stadt
an so wie die Drescher das wirkliche Land, wenn sie wieder heraus kamen.
Der Klempner saß wie
ein kleiner Haufen mitten in einem großen Raum beim schmieden. Gegenüber an
der Wand stand ein Treib-Rad wie ein Rad von einem Riesenwagen aus einem Hünengrab,
auf einem Regal fand man Sachen als gewaltige Schüsseln, Schalen, Tellern, Werkzeuge wie Kröseleisen und Becher, aus Stein
grob ausgeschlagen und fast für eine einzelne Person unmöglich schwer zu
tragen, plump, als wären sie vor Tausende von Jahren, - grün und schwarz vom Altertum. Das waren Formen für den Zinnguss.
Das blanke Geschirr, nun nicht mehr in der Mode, die man aber noch hin und
wieder auf einem Regal als Zierde in der Küche oder Kammer und über
Bettstellen sieht, solches Geschirr wurde in Formen gegossen. Erst wenn man
einen dieser schweren Deckel aufhebt, sah man die glatte Figur von einer Kanne
oder einem Fass. Der alte Klempner war früher ein Kannen - Gießer gewesen, als
sie noch in der Mode waren, damals wurde er nie arm, - jetzt hat die Not ihn dazu
getrieben ein schlechteres Handwerk zu erlernen, mit weniger Kunst und Nahrung
und mehr Lärm. Er war jetzt eine Art von Philosoph geworden. Auf dem Regal von
der anderen Wand standen eine Reihe von Büchern, die nach dem Aussehen mehr in
die Zeit der Zinn-Formen passten. In Schweinsleder gebunden oder mit einem
Einbund aus altem Eichenholz, bestaubt, verräuchert und versmoekert. Daraus
liest er sich so allerlei absonderliches Zeug zusammen, besonders was der Chemie
anbelangt. So fing es an in seinem Geschäft mit schmelzen und löten, - er
hatte was zu tun, und fürs Geschäft wurden sie auch mal von früheren
Kannen-Gießern beschäftigt, als das noch etwas Verdienst einbrachte. Österling
hatte sich genau so wie das Rad und die Formen, hier angefunden, als er sich aus
der Fremde nach hier verirrte und endlich anheim wurde. Er war ein Preuße aus
Pommern, und neben seiner Chemie hatte er noch einen anderen Verehrer: Das war
der “alte Fritz”. Wir hatten den Artisten Handwerker und Künstler nicht
unter unseren Leuten im inneren Land. Auch ein Barbier [Friseur] war in Burg
eingewandert. Er war, als man von selber versteht, ein Sachse und hatte natürlich
als anderen Verehrer noch den großen Napoleon.”
Kannen-Gießer Österling
ging gar nicht raus zwischen die Menschen und die Barbierer, die Putzleute als
man sie damals nannte, die liefen den ganzen Morgen von Haus zu Haus zu ihren
Kunden. Von Mittag an aber war das Geschäft zu Ende - welcher Mensch lies sich
denn schon in Burg auf Fehmarn am Nachmittag “putzen”? - so hatte er also
gar nichts weiter zu tun, als nur seine Messer für den nächsten Morgen zu
schleifen und dabei aus dem Fenster, auf die Pumpe zu schauen.
Die Pumpe war nicht
seine eigene, sie stand vor seinem Fenster in der Steinbrücke, und gehörte zur
Gemeinde, aber er sah nachmittags nach, als wäre er von der Gemeinde dazu
angestellt, - damit niemand ungerecht Wasser holte. Wasser war genug in der
Pumpe für die ganze Stadt Burg, aber sie gehörten zu dem “Osterende”,
Gerechtigkeit muss sein; wenn ein armer Schustersohn vom “Westerende”, für
dem diese Pumpe näher war, mit seinem Eimer kam, so stürmte der Barbier
heraus, mit irgend etwas was er gerade in der Hand hatte und wäre es ein
scharfes Putzmesser gewesen, - und vertrieb ihn, zurück in seine eigene Ecke und
sein eigenes Ende, ohne Gnade. Er war eben, was er selber bekannte, von
streitbarer Natur. An seine Kunden tat er sich so etwas nicht erlauben, und wenn
er nachmittags drüben an der Pumpe nichts fand, so ging er abends zu Österling,
dem Klempner und Kannen-Gießer, um mit ihm sein Teil zu bestreiten, dass seine
Seele vor dem Nacht-Mahr [Spukgestalt im Traum], genug hatte. Natürlich, ob
“Napoleon” oder “Friedrich” der größte Kriegsheld gewesen war. Und
dabei konnten die beiden kleinen, alten Leute immer wieder die Schlachten bei
Katzbach oder Austerlitz besprechen, als wären sie selber dafür zur
Verantwortung gezogen worden.
Doch war die Chemie
Österlings Haupt-Interesse wo er auch den “alten Fritz” für fallen lassen
hätte. Die Chemie wird mal die ganze Welt verändern, wer darin meistert wird
mal wichtiger wie der alte Fritz und Napoleon zusammen.
“So wie Napoleon”
fuhr die streitbare Natur auf, und mit ihr brach denn auch die sächsische Natur
in der Sprache durch: “Das sollte er schon bleiben lassen!”
Aber nicht einmal auf
den Streit ließ der alte Pommer sich ein, wenn er bei der Chemie angelangt war.
Größer als all die Größten. Wäre er nicht so ein kümmerlicher Haufen
gewesen, und wäre er noch jung und hätte was gelernt, was er nicht hatte, dann
wäre es so eine Sache gewesen. Damit hätte er aufblühen können. Dann würde
er auch eine Einsicht haben können. Er suchte sich nun nur mal etwas aus einem
Buch heraus, was er verstand und pfuschte ein bisschen mit dem Lötkolben herum,
welches er ja von der Gussarbeit noch kannte. Aber wer es sehen wollte, dem
hatte er so allerlei zu zeigen, was er selber für ein Wunder hielt, und was der
Barbier “mit Verachtung” anschaute.
Neulich hatte er eine
kleine Flasche aus der er mit einem Schwefelholz Feuer rausholte, dass es hell
brannte. Das führte er feierlich vor, hielt es selber in der Hand und ließ mal
nachfühlen ob es heiß brannte. Das schiere Wunder! Ein kaltes Glas und Feuer
war darin! Feuer war eins der Elementen, mit Feuer war zuerst die Auferstehung
angebrannt und mit Feuer, so wird gesagt, wird einmal die Welt untergehen.
Das bewies
jedes Mal den Fortschritt einer neuen Erfindung. Die neue Art Feuer zu machen, das zeigte
er deutlich. Nun konnte man die Zündbüchse abschaffen als ein Stück der alten
Rauheit, genau so wie man die steinernen Beile abgeschafft hatte, als man Eisen
zu schmieden verstand. Und dabei steckte er wieder ein Schwefelhölzchen hinein
und zeigte ihnen wenn er es angesengt hatte. Phosphor hieß es, was er im Glass
hatte, man konnte es auf der Apotheke kaufen.
Dummes Zeug sagte der
Sachse, Phosphor heißt das Zeug. Der Barbier, auch der Professor in der
Apotheke hatte es ihm gesagt. Das war auch so natürlich, wie der Bär ein
kaltblutiges Tier ist - man braucht Bärfett gegen Frost, er nahm es auch im
kalten Winter, wenn ihm seine Hände in seinem Geschäft litten, so war der
Fuchs das hitzigste Tier, was er mit all seiner List und Verschlagenheit
bewiesen hatte, und man tut die Fuchslunge auf eigener Art einkochen - das war
das Geheimnis - es gab Feuer.
********
Als Willem und Marie
im Gewitter bei Österling in die Werkstatt eintraten - in den großen, dunklen
Raum, mit dem Treibrad und den Steinformen, wo alles angeräuchert und versengt
war, wie ein Raum aus dem unteren Erdboden, da kam der kleine Mann, der da
mitten drin saß auf einem Dreifuss, mit einer Brille, bei einer Tranlampe,-
krumm vor einem alten Ambos und auf einem blanken Stück Ding gegen Donner und
Blitzen anhammerte, kam der alte Blechschmied - sie hatten nicht umsonst Märchen
gelesen - so erschien er vor ihnen als ein Zauberer in einer Höhle.
Und ihm mag es auch
wie aus einem Märchen vorgekommen sein, als er von seinem Haublock aufsah, denn
in der Tür standen zwei Gestalten wie man sie wohl auf Bildern sah: “hoch und
schön, und alle beide, grad wie aus den Drüsen, die hinter der Kindheit
liegen. -
Da leuchtet ein Blitz
ins Fenster rein und der Donner, der gleich drauf folgte, - mochte seine Stimme
auch wunderbar klingen, als er sprach: “Kommt rein!, das Wetter ist mächtig!
Unser Herr Gott braucht heute mehr Phosphor wie ich das ganze Jahr gebrauche,
das tut er wohl dem Jüngling und der Jungfer zu Ehren! -
Das soll wohl auf
seiner Art ein Spaß sein, klang aber sonderlich und feierlich. Er zog dabei
jedem einen Sitz hervor, zu beiden Seiten von seinem Ambos zurecht, und setzte
sich selber zwischen den beiden, fasste den blanken Hammer in die Hand und saß
als wollte er fragen welchen Zauber er für sie herschmieden sollte.
Fing aber anstatt
dessen von seinen neuen Zünd-Hölzern an, die ihm mit dem Blitz in den Sinn
kamen und zeigte es, - stellt sich vor, ließ Marie das Glas anfassen, das nicht
heiß war und fing an zu reden. - Wollte auch möglichst aus Gutmütigkeit dem
armen Mädchen die Gewitterangst vertreiben - von dem Phosphor - das war
eigentlich das fünfte Element, was in Allem anderen reinzog, und was fehlte war
der Tod. Wo der sich wohl aufhielt, so wie jetzt gerade in der Luft, manchmal
auch auf See, da war's auch nicht ohne Gefahr. - So auch bei den Menschen, im
Alter fehlt das Phosphor und wird zuletzt alle, in der Jugend hatte man sich zu hüten,
wo es zuviel wird, schlägt der Blitz leicht mal dazwischen und haut das ganze
Leben entzwei. So sprach er bis das schlechte Wetter einigermaßen vorüber war
und er seine jungen Gäste aufs Pferd half. Vermahnte sie dennoch, dass sie am
Strand entlang, nach Hause reiten sollten um den Weg nicht zu verlieren, der
Abend brach herein, auch war der Weg sauberer und nicht so dreckig. -
Eine eigentliche
Gefahr gibt es nicht am Ostsee Strand auf Fehmarn: Ebbe und Flut gibt es dort
nicht, und wenn der Wind nicht das Wasser vom Osten und Norden hochtreibt, dann
liegt der Strand, als wär's ein eingerichteter Sandweg, übers ganze Land, vor
allem wenn sie hinunter kommen in der Schummerung. Übers Wasser leuchtet noch
in weiter Ferne ab und zu ein Blitz auf, das Wasser liegt so ruhig als ging es
auch zur Ruhe wie der Tag. Es war so still, dass man ‘Braun’ in seinem Galopp den Sand hochwerfen hörte und die Muscheln knirschen vermochte, wenn er
drauf hopste und sie zertrat. Sonderbar ist es, wie dann der Schrei der Wasservögel
klingt, die hoch über einem hinweg, seewärts dahin ziehen, dass man sie weiter
und weiter hört. Man tut oft darauf horchen und man hört bald in dieser
Todesruhe was am hellen Tag gar keinen Ton fürs Ohr hat, wenigstens keinen
Klang fürs Herz.
Warum ziehen sie hin
wie ein Volk, fragte Marie, die Regenwolken, die über uns hinwegziehen, gleich
zu den Wolken hin, die noch immerfort aufleuchten, mit einem Flöten, was so
laut und lang hinklingt, als riefen sie sich zu, damit ja niemand verloren geht
auf dem gefährlichen Weg. Es ist doch grausam, wenn man sich vorstellt, dass ein Mensch weit draußen allein auf dem Wasser wäre.
Willem tröstete sie:
die Vögel kennen schon ihren Weg. Aber sie hören auch die Menschen. Die Stimme
schallt unendlich weit über das Wasser und klingt allerdings gar unheimlich
wenn sie aus der Ferne zu einem kommt, man weiß nicht woher.
Hör doch, was ist
das, rief Maria und hielt sich feste an ihren Reiter geschmiegt, das ist ja als
ob Menschen von unterm Wasser hinaus rufen.
Willem tröstete sie:
“Das sind Fischer die vom Staken aus auf See gingen und sich von Boot zu Boot
zurufen und reden.
Aber wenn man mal von
so etwas aufgeregt wird, so hilft einem die Vernunft gar nicht viel. Maria hörte
und sah bald das Möglichste und Unmöglichste, und noch viel mehr wie es
dunkler wurde. Als nun noch gar der alte Braune, der gewiss nicht von Hühnerglauben
[Aberglauben] geplagt war, auf einmal
anhielt und nicht vorwärts wollte, da kam das arme kleine Mädchen wirklich in
Angst, sie dachte an Riesen und Zwerge, und was sie davon gelesen hatte, und an
den alten Blechschmied der ihr vor Augen kam mit seinem Phosphor, als müsste er
irgendwo im Dunkeln hocken vor seinem Block und Ambos. Denn die Ursache, dass Braun nicht vorwärts wollte war,
dass er mit den Füßen im laufenden Feuer
trat, wie ein geschmolzenes Metal.
Was
hoch spritzte,
flog wie Funken durch die Luft, wie in der Schmiede, fiel ins Wasser und ging
unter, als ob Sterne vom Himmel schossen. Ja, der Schaum von den kleinen Wellen
die auch beim stillen Wetter einer nach dem andern übers Sand laufen, wie
goldener Schaum, und wo das Wasser sich kräuselt leuchtet es auf, wie beim
Wetterleuchten nun aber aus der Tiefe reflektierte, was eben gerade am Himmel
gespielt hatte.
Das Pferd ‘Braun’
hatte kein Verständnis von dem Meerleuchten, was jeder Strandbewohner kannte.
Er wollte nicht hinein ins Feuer, trotz all dem zureden. Es war eben nicht zu ändern,
dass Willem abspringen und ihm am Zaum führen musste; wo der Herr ging würde
Braun auch folgen, was er auch allmählich mit viel pusten und schnaufen tat,
denn um am Huuk [Steilküste] vorbei zu reiten, musste man an der hohen Steilküste
entlang, wo einem bei schlechtem Wetter die Füße nass wurden; bei Hochwasser
allerdings segelten dort die Schoners vorbei.
Willem hatte Braun
fest am Zügel und führte ihn mächtig. Marie saß allein auf dem Pferd. Sie
war nicht von schüchterner Natur, aber sie kam sich doch vor als selber mitten
in einer anderen Welt zu sein. Da watet der junge Mann voraus, dem das
schmelzende Gold um die Füße sprühte, die Nacht lag überm Ufer, inmitten glänzte
und rauschte der See. Sie dachte an Vater und an zu Hause, als sah sie alles
Alltägliche in einer anderen Art von Licht, sie dachte aber auch an den alten
Mann mit seinen wunderlichen Reden und ihr ward wie eine Angst, als ob eine gefährliche
Macht sie überkam und sie wusste sich nicht zu helfen.
Ob Willem etwas ähnliches
dachte? Als sie um die Ecke wieder an den trockenen Strand kamen, lobte und
streichelte er den alten Braun, hatte aber für Marie kein einziges Wort, nur dass
er sie öfters bei Namen rief um sie so zu trösten: “Jetzt sind wir bald zu
Haus” - rasch ging er, den Zügel überm Arm, den bekannten Weg entlang.
Bei Hansen war man
schon unruhig über das Ausbleiben von den Kindern. Der alte Hansen kam selber
zur Tür und half Maria vom Pferd, er hatte kein Wort weder fürs Fräulein noch
für den Reiter, als ob sich das alles von selber verstand. Nicht einmal von
Gefahr war die Rede, worüber Marie gerne mal gesprochen hätte. Nur, dass es
schon dunkel war und man schon auf sie gewartet hätten. Und nüchtern führte
er seine Tochter in die Tür und ließ Willem nach Haus gehen, sie hatten kaum
genug Raum und Zeit sich Gute Nacht zu wünschen. -
Als Willem den andern
Morgen nachsehen wollte wie es Marie ging, hieß es, dass sie müde sei und länger
im Bett bleiben wollte. Als er nach einigen Tagen wieder nachfragte, war sie
nicht zu Haus. Als er die andere Woche wiederkam sagte man ihm, dass Marie mit
ihrem Vater verreist sei. Herr Hansen kam nach einigen Tagen alleine wieder. Er
verzog keine Miene in seinem trocknen Gesicht als er Willem von seiner Tochter
grüßen ließ. Er hatte sie auf kurze Zeit mit Mamsell nach Hannover gebracht.
Sie sollte noch etwas mehr lernen.
Was Willem bei dieser
Nachricht spürte, konnte er selber nicht sagen. Als der alte Hansen ihn in
seinem Garten traf, gerade als er in seinen einmaligen edlen Birnbaum klettern
wollte, - war das ganz grässlich gewesen. Er hatte vor Scham in die Erde sinken
mögen. Es war schlimmer, er fühlte sich als einer der ein Verbrechen auf
seinem Gewissen hatte, dennoch hatte er noch nie solche Gedanken gehabt. Das tat
der alte Hansen ihm erst mit seinen kalten Augen an, die keine Farbe und keinen
Glanz hatten, es ging in die Seele rein und wieder heraus. Das lag in seiner
Miene, als wollte er ihm sagen: Ich habe dich getroffen, Junge, du wolltest
gerade nach meinem Besten langen, aber diesmal hing es dir zu hoch, ich kenne
dich jetzt. Er merkte, dass er ganz rot wurde bis unter die Haare und dann
wieder bleich, als lief ihm das ganze Lebensgefühl heiß in die Seite zusammen.
Als Herr Hansen
weggegangen war lief er raus, als müsste er nach Luft schnappen. Er sah sich
um, - wie der Mann ‘Robinson’, der alleine auf einer Insel saß, und dann
fuhr das Schiff weg mit allem was zum Leben gehörte und er blieb allein. Er hätte
sich auf die Erde werfen mögen und sich in seinem Unglück wälzen. Und weinen
möchte er, wäre er nicht so lahm gewesen und kaputt, dass sich seine Augen
auch nicht mehr rührten.
So ist die junge
Liebe! Er lag tagelang herum wie im Schlaf und im Traum. Hätte er man eine
Seele mit der er reden konnte. Aber er war ganz alleine, Kameraden hatte er ja
nicht gehabt, die Eltern waren schweigsam, und ließen ihn allein. Wenn er mal
am Strand und an den Dünen etwas herumlief, - Herrn Hansens Haus und Garten,
die großen stillen Bäume hinter der großen eisernen Pforte ins Gesicht bekam,
so dachte er an das Paradies und an den Garten von Eden, wo sie so oft drüber
geredet hatten. Ja, er war auch ein Adam der rausgeschmissen wurde aus dem
Paradies, und die Pforte war fest geschlossen, als hätten Engel davor gestanden
mit glühenden Schwertern.
Einmal traf er
Nissen, den alten Futterknecht auf dem alten Braunen. “Ist doch nicht den
richtigen Weg gegangen, das alte Biest”, sagte er beim vorüber reiten,
kleiner Adam und er schlugen das Pferd “Brun” mit der Hand auf den blanken Rücken,
“ich hab es ihm noch gesagt, aber so ein altes Pak ist zu dumm!”
Die einzigen Worte
die ihn aufheiterten, bekam Willem von dem alten Pött, als er ihn mal sah:
“Lass die Segel nicht hängen, Willem, ‘Topp wedder uphißt’ Segel wieder
hoch hissen [ziehen], die Reise ist noch lang und du noch ein junger Gast.
Verzag man nicht”.
Also, der alte Hansen
hatte ihn beleidigt? - Ob es wahr ist? Und kein Unrecht? Gibt es noch Hoffnung?
Als das Lernen bei
Herrn Hansen aufhielt, gab Adam seinen Sohn nach Burg, dass er dort beim Pastor,
der noch mehrere junge Leute unterrichtete, was lernen sollte. Dort lehrten bei
dem Pastor ein Sohn von einem Doktor, ein Sohn vom Landschreiber, einige
Gesellen, die nach Kiel in die Hochschule wollten um sich auf ein Studium
vorzubereiten, ein reicher junger Bauernsohn von Markelsdorf. - Es wehte eine
scharfe Luft wo Willem reinkam. Es dauerte nicht lange, so wurde er gebrüht und
vernarrt. Kopf hängen lassen gab es nicht zwischen so einem Schlag Menschen. Wussten
die auch etwas? Oder kam es von seinem Namen, dass man nach Eva fragte, von dem
Paradies und den Engeln vor der Pforte?
Ihm war es zuletzt
auch einerlei bis er sich den Größten unter die Füße schmiss und dann die
anderen fragte, wer hat Lust bei ihm zu liegen? Dann hatte er Frieden. Aber
keine Freundschaft. Er verlangte auch nicht danach. Er kam sich mit seinen Gefühlen
so vor wie ein Mann zwischen Jungs. Er hatte eine Last zu tragen und er bekam
auf diese Art zu erfahren, dass er es tragen konnte.
‘Topp wieder hoch
gehisst’, dachte er mit altem Pött seinen Worten, Segel wieder hergestellt.
Jetzt ist noch nichts verloren, und dass ihm dabei die Gestalt von Marie Hansen
auftauchte, kann man sich vorstellen. Warum sollte es nicht glücken? Nur wusste
er noch nicht wieso. - Was lernen?, das war ja nicht schwer aber etwas werden,
das war die Hauptsache. Wenn man nur den Weg wüsste! Seine Kameraden gingen
schon einen gewissen Weg, der eine gerade zu auf Vaters Landstelle als Bauer in
Markelsdorf, die anderen erst mal zu einem lustigen Leben, mit Zeit genug für
ein Amt oder eine Stellung später, woran sie noch nicht zu denken brauchten. Er
lernte wohl bei dem Herrn Pastor englisch, französisch, Geographie und
Geschichte, aber was sollte er damit und mit sich selber anfangen, das lernte er
dort nicht und davon wusste der gute Herr auch nichts. Wieso sollte er das auch
wissen? Er konnte wohl zu Not sagen, wann jemand vom richtigen Weg abgekommen
war. Aber wie man sich einen neuen Weg durchs Leben schlagen könnte, das war
nicht seine Sache. Er würde auch nur auf einem alten ausgetretenen Pfad
wandern. Das wusste der alte Philosoph, der alte Kannen-Gießer am Ende auch
nicht für Jedem das Seine. Aber bei ihm viel doch etwas ab, wenn er von einem
langen arbeitsamen Leben und viel Erfahrung erzählte, dass man sah, es gab
noch immer ein Weg oder eine Tür die sich öffnen könnte, wenn es auch
scheint, als ob alle vor einem geschlossen waren. Vielleicht zog es ihm auch
hierher, weil mitunter die Namen von Herrn Hansen und seiner Tochter bei dem
Klempner erwähnt wurden.
Wenn der Barbier
daran dachte, gab es öfters ein Gespräch als wäre es ausgedacht für Willem.
“Wenn ich noch einen Sohn hätte, er sollte doch kein Schuster werden, schon
gar nicht!”, meinte der Barbier.
Ja, warum hast du
deinen Sohn denn Schneider werden lassen?” fragte der Kannen-Gießer.
“Wegen den Umständen”,
sagte der Barbier.
“Aber warum denn
keinen Schuster?”, fragte Österling.
Nein, das wär eine
ganz verfluchte Rasse, diese Schusterjungen! Er hatte heute schon wieder den
Schuster Danker seinen Sohn an der Pumpe beim ‘Wasser- Holen’ geschnappt,
das ist so eine Spitzbubenrasse.
“Ist denn nicht
genug Wasser in der Pumpe?”, fragte der Kannen-Gießer.
Ja, Wasser ist genug,
aber keine Gerechtigkeit, das Recht zu der Pumpe gehört zum Osterende, und das muss
aufrecht erhalten werden.
Der alte Kannen-Gießer
lachte und fragte was sein zweiter Sohn hätte werden sollen, wenn er einen
gehabt hätte.
“Maler”, sagte
der Barbier, mit Nachdruck, “ein großer Maler”.
Pinsel, sagte der
Kannen-Gießer.
Wer, ich?, fragte der
Barbier, als wäre er rausgefordert worden.
Oder Anstreicher,
setzte der Kannen-Gießer hinzu. Das wäre mir einerlei, jedes Handwerk hat
einen goldenen Born (Brunnen).
Künstler sagte da
der gute Sachse, und lies sich nicht stören, daran fehlt es uns hier auf
Fehmarn und in Holstein. Da müsst ihr mal nach Dresden kommen und die Kunstgalerie
sehen.
So, sagte der Pommer,
und wurde spitz, da war wohl Napoleon zu sehen, der große Schuft mit dem
kleinen Hut.
Noch lange nicht
genug, denn er hat die Welt umgedreht.
Ja, sagte der
Pommeraner grimmig, er hat das deutsche Reich arm gemacht.
Und damit war dann
der gewöhnliche Streit eingeleitet und der alte Lärm neu angefangen, ob
Napoleon ein großer Kämpfer gewesen sei oder der alte Fritz, bis man zuletzt
an den Punkt kam, wo es nicht weiter ging wie nur noch gegen einander
anschreien, und dann war man wieder ruhig und vernünftig - Dann war es als wenn
ein Gewitter abzog, man hörte nur noch das Murren in der Ferne.
Nein, wenn ich einen
Sohn hätte, meinte Österling, - als ich jung war waren die Zeiten anders und
als die verdammten Franzosen uns alles kaputt gemacht hatten, sogar den Mut
genommen, dann konnte man nichts und man wagte auch nichts. Aber wenn ich einen
Sohn hätte der dürfte nicht hocken bleiben - und er redete als müsste er
einen haben wie Willem als Beispiel - um mal Wert auf Staber Fährhaus zu
bringen mit Vater und Mutter, zwei Pferde und zwei Kühe, wenn es vielleicht
solange dauerte bis Herr Hansen sein Hof mal frei würde. Er muss raus in die
Welt und sich beweisen.
Schwefelhölzer mit
Kuppelung, meinte der Barbier höhnisch .
Vielleicht
gar nicht schlecht sagte der Kannen-Gießer, kommt drauf an. Übrigens singen wir in
unserem Land: Bonaparte ist nicht so stolz
heidi,heidi,
handelt mit dem
Schwefelholz,
Heidi
dum.
Und nach kurzer Zeit
brach der Streit nochmals aus. Chemie sollte er mir mal beibringen sagte Österling
oder Maschinenbauer, oder so etwas zu werden, dass man auch eine Zukunft hat.
Goldmachen wäre wohl
besser, meinte der Barbier.
Du brauchst ja nicht
zu spotten, sagte der Kannen-Gießer dann ernsthaft, man weiß nicht ob es doch
möglich ist.
“Du hast aber doch
noch nichts rausgekocht?”
Freilich nicht, sonst
würde ich hier ja nicht sitzen und Blech schmieden. Aber auch dabei etwas
lernen und das ist auch nicht schlecht.
Willem
riss die Augen
und Ohren weit auf.
Wie ich schon sagte,
Fehmeraner sind überall auf Gottes Erdboden zerstreut, lassen mal von sich hören,
oder kommen sogar mal wieder nach Haus. Da ging dem Willem ein neues Licht auf,
und das war keine Neugier,
als er sich befragte
und gut zuhörte, was auch für ihn passend war und was er auch wagen könnte.
Freilich, diejenigen denen er zuhörte, die waren ja durchgekommen, die schon
umgekommen waren die sprachen ja nicht mehr mit. Das Unglück ist stumm; wenn's nicht etwas ganz besonderes gewesen ist, dann schweigen auch die anderen.
Ertrunken und verkommen sind jedenfalls viele! Aber, es sitzt der Kochs-Maat von
einer kleinen Brigg jetzt in Rio als ein großer Hotelwirt, ein anderer als
reicher Bäcker in New York, am Broadway, der eine Schmiedesohn als Fabrikbesitzer
in Cleveland, Ohio, dann noch ein berühmter Brauer und Brenner
in Davenport, Iowa, einer der früher mal Gänsehirt gewesen war bei Wilhelmsen
in Sartjenthorp und nun Senator er fährt mit weißen Schimmeln.
Willem war allmählich
wie ein junger Vogel, der seine Flügel fühlte für die große erste Reise. Er
dachte allerdings wohl noch mehr ans wiederkommen. Und dann? Ja, dann sind da
noch die Gedanken, die man auch selber sich nicht gut überlegt. Es kam um diese
Zeit ein Fehmeraner wieder zurück nach Haus, über den man viel sprach. Er war
der erste von den Goldgräbern der wiederkam nach Fehmarn. Er hatte mit seinen
eigenen Händen in Kalifornien Gold gegraben! Was sich eine Mutter wohl für
Gedanken machte, die weiter nichts gesehen hatte als auf der Insel nur Lehm und
Sand graben. Er hatte Stücke davon in der Tasche, da ging das Gerede und das
konnte man sich natürlich so groß vorstellen wie man es mochte. Er hatte
soviel gesammelt, hieß es, dass er sich den ersten großen Bauernhof in
Gammendorf oder Staberdorf kaufen konnte, der da zum Verkauf kam.
Ganz Fehmarn lernte
ihn übrigens vom Ansehen kennen. Er war ein lustiger Patron, jung, schmuck, wie
man so sagt, ein fixer Kerl. Er hatte eine überfließende Gesundheit, lachte über
alles, hatte vor nichts viel Respekt was sonst auf Fehmarn alt und ehrwürdig
war. Das war ihm einerlei ob man es im Spaß oder Ernst aufnahm, er musste sich bloß
mal gründlich auslachen.
Er war auch beim
Kannengießer, den er schon von früher kannte und band gleich mit ihm und dem
Barbier an, den er nicht anders nannte als Herr Doktor. Das gab ein hallo. Die
ganze Bartschererei war überflutet, meinte er, er sollte man Wasserdoktor werden, die Pumpe vor seinem Haus
müsste er unter Schloss legen und sich ein
Plakat dazu bauen mit der Inschrift, dass es ein Gesundheitsbrunnen sei. Das würde
was einbringen. Der Barbier spuckte Feuer und Flammen. Aber gegen den Goldgräber
flaschte es nicht.
All right, sagte er,
Doktor, was machen die Sachsen? Haben Sie Napoleon immer noch nicht vergessen?
Wenn der alte Kerl noch lebt sollten sie ihn als Nachtwächter in Burg
anstellen. So einen Unsinn, so einen Nachtwächter der nur mit dem Horn tutet,
damit die Taubstummen es hören wenn die Stunden angesagt werden, damit einem
armen Schelm, der nie schlafen kann, die Zeit recht lang wird.
So etwas ist ja
entsetzlich anzuhören für einen langjährigen Burger Bürger, und das klingt
wie eine Rebellion, wenn er nun noch gar auf die Kämmerer und das Gericht genau
so losredet!
Natürlich kannte er
auch Willem seinen Vater, wer kannte nicht das Fährhaus auf dem Staben und jung
Adam? Er lachte auch über ihn. Er wird noch mal an den Schenkschrank fest
trocknen. Man wird ihn und den Kapitän Pött noch mal versteinert auffinden.
Willem sollte sich man in Acht nehmen, dass er nicht noch mehr wüsste, ehe er
die Stelle an der Flaschen Theke übernimmt, er wird ja krumm stehen müssen wie
ein aufgespannter Flitzbogen sein Leben lang.
Er hatte auch Herrn
Hansen getroffen. Wie er den Mackeprangschen Hof fein ausgeputzt hat, Junge,
Junge!
So eine Art Bauernhof
sollte er sich kaufen, sagte der Klempner.
Dazu hatte er nicht
genug Geld war die Antwort, als er ein bisschen ernsthafter aussah. Aber er
lachte gleich wieder und sagte: Er möchte den Teufel hier auf dem alten
langweiligen Lappen vertrocknen, wie eine Seeflagge auf einem Sandhaufen. Er
wollte noch mal wieder fort, diesmal ein bisschen zur anderen Seite des Erdballs
herum.
“Solltest
mitkommen!”, rief er Willem zu.
Er ahnte nicht,
dass diese Worte wie ein Funken in eine Pulvertonne fielen, denn er fuhr lustig fort:
“Und was für ein verteufeltes schmuckes Mädchen, die Tochter! Die möchte
ich mir wohl mal als eine Eva holen, wenn sie solange warten würde, bis ich
meine Goldkatze strammer voll habe. Denn ohnedem würde der alte Schlauhans, der
alte Sklavenhändler, Herr Hansen, niemand ran lassen. Ich muss mich auch noch
erst mal ein bisschen mehr umsehen und das Stillsitzen lernen. Bis dann ist es
fast zu spät, denn der schmucke langbeinige Junge mit seinem glatten Gesicht,
Selk, Christian mit der Zigarre, der schnüffelt dort wohl nicht umsonst herum.
Scheint mir schon ganz bekannt. Mir auch einerlei! Und dabei rauchte er selber
bis es dampfte, und tat wieder mit dem Doktor anbinden, ohne auf Willem oder
irgend etwas anderes zu achten.
Willem lief schnell
davon. Ihm war zumute als hätte ihm eine Flutwelle hoch aufgehoben, dass er
Land sehen konnte, “Das Land der Verheißung”, um zu berechnen, dass in
einigen Jahren mit ein bisschen Glück und Mut, - und doch könnte sie ihn wieder
herunter werfen, dahin wo er versunken und ertrunken sei, in “eitel
Finsternis”.
Er
wusste gar nicht, dass Marie wieder auf Fehmarn war. Herr Hansen hatte sie wieder kommen lassen,
die Mutter hatte so ein Verlangen nach dem Kind, sie hatte auch genug gelernt.
Willem
musste sie
sehen, oder sprechen, wenn auch nur noch einmal. Er lief in der Nacht hinunter
nach Staberdorf. Da lag Herr Hansens Hof in tiefer Stille, nicht ein Hund bellte
als er ums Haus und um die Scheune schlich. Nicht einmal die Fensterscheiben
waren sichtbar. Aus der Höhe sah er im Schein am See, wie ein großer Klumpen,
das Fährhaus, sein Elternhaus. Das war sogar noch dunkler wie irgend möglich.
Verstört und müde
kam er morgens zu Hause an und musste sich beim Pastor rauslügen, wo er gewesen
war.
Was wollte er anstellen? Seine Gedanken zehrten an ihm. Ihm war als ob er verirrt war, und sah
nicht wo er drauf ging. Er fand sich auf dem Weg nach Haus, nach Staberdorf zu.
Da meinte er, müsste er sie treffen. Warum auch nicht? Es schien ihm als stand
sie ihm so vor Augen.
In so einer Art Einsamkeit ist ein junger Mensch so ziemlich verzwickt und enttäuscht in seinen
Gedanken, möge es Liebe oder Hass sein? Hier waren es bald alle beide. Der
lange “Selk” mit seinem glatten Gesicht hatte ihm schon eher seinen Mut
genommen. Ob er es gar tun würde?
Er konnte so einen Gedanken nicht ertragen. Aber er sah die beiden auf einem Wagen, auf einem
Pferd, auf einem Stuhl, und diese Gefühle überkamen ihn bis er seine Zähne
zusammen bis. Er wollte ihn wenigstens aufsuchen und ihn treffen.
Es gibt Menschen, um die sich die ganze Welt kümmert. Schon wenn sie klein sind achtet man auf sie.
Wenn sie aufwachsen, dann wartet Jedermann darauf: ‘was aus ihm werden mag’.
Willem Adam gehörte zu diesen Schlag von Menschen. Eine alte Frau sagte ihm mal
die Zukunft, er musste seinen Mund weit aufreißen, er wusste nicht warum, da
sagte sie ihm: ‘Er würde sein Brot mal in weite Länder suchen’, denn seine
Zähne standen weit auseinander. Er wurde von Kapitän Pött vorgezogen, der bei
Willem immer alles recht fand, auch wenn er mal dumme Streiche machte. Auch Herr
Hansen hatte ein Auge auf ihn.
In der Einsamkeit ist so etwas ganz natürlich. Weil man sich auf dem Lande genau gegenseitig kennt,
darüber macht ein Mensch aus der Stadt sich keine Gedanken.
So ein Mensch wie Willem Adam geht einem nicht aus dem Auge, dass er bei Jedem auffällt. Hier und
Jener mag sich da etwas raussuchen zu seinem Nutzen. Einem Krämer würde er ein
treuer Laufjunge, einem Bauer ein tüchtiger Pflugjunge, und am Ende ist aus dem
Einen mit der Zeit ein Geschäftsmann geworden, der mit seinem Herrn genau so
wie seines Gleichen verkehrte, und aus dem andern ein Bauknecht der das Gewese
und den Betrieb besser kannte wie der Bauer selber.
So kam man früher zu brauchbare und tüchtige Menschen, man suchte diese und erhielt sich dieselben
gut.
Es geschah auch, dass auf Fehmarn jemand zu Besuch kam, zur Jagd, oder zur Pläsier oder Geschäft ein
Pächter von einem großen Gut, eben vom ‘übern Sund’ im Oldenburger Land.
Er war selber einer von den Leuten, der schon jung beachtet und gesucht wurde,
und auf diese Art aus nichts ein wohlhabender Mann wurde. Er hatte schon den
kleinen Adam im Auge, wie er noch mit der Peitsche knallte und mit Drachen und
Flitzbogen spielte. Der suchte natürlich nach ihm in Burg, er hatte bald
erfahren, wie es mit ihm stand, und schlug ihm vor mit ihm zum Wittenhof zu
gehen und Landmann zu werden.
Pächter Luermann hatte ihn leicht beredet. Er brauchte nur seinen eigenen Lebenslauf erzählen,
so war es klar, er war als Schreiber auf den Wittenhof gekommen, wurde nach und
nach Inspektor geworden, und hatte endlich, als der Herr vom Gut, ein reicher
Adeliger, schwächlich wurde und in den Süden gezogen war, dann das ganze Wesen
in Pacht übernommen. Wer wusste ob es nicht mal sein Eigen werden würde?
Wie viele Jahre wohl dazwischen lagen, zwischen dem Schreiber und dem Pächter, dass er inzwischen
grau geworden war, und wenn er vielleicht nach Jahren mal Herr würde auf dem
Wittenhof, wäre er alt und gebrechlich gewesen: er sagte es nicht, und Wilhelm
frug auch nie danach. Er sah wenigstens den einen Weg und eine Tür die dahin führte.
Ende